Abmahnungen und einstweilige Verfügungen wegen Verstoßes gegen die DS-GVO möglich?

Nachdem die EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) nun seit gut 5 Monaten in Kraft ist, stellt sich immer wieder und vermehrt die Frage, ob Verstöße gegen die DS-GVO (etwa durch Wettbewerber) abmahnfähig sind bzw. mittels einer einstweiligen Verfügung sanktioniert werden können.

Eine eindeutige Antwort auf diese Frage läßt sich aktuell noch nicht geben - auch passt die Lieblingsantwort des Anwalts "es kommt drauf an".

Es kommt nämlich auf den Bezirk des zuständigen Gerichts an.



Nicht abmahnfähig:
Das Landgericht Bochum, Urteil vom 07.08.2018 - AZ.: I-12 O 85/18 hat nun entschieden, dass Ansprüche von Mitbewerbern nach der DSGVO ausgeschlossen seien. Nach Ansicht des LG Bochum können Verstöße gegen die Informationspflichten nach Artikel 13 der Datenschutzgrundverordnung nicht von Wettbewerbern abgemahnt werden, da die DS-GVO selbst in den Artikeln 77 bis 84 eine abschließende Regelung dazu enthalte, wer solche Ansprüche geltend machen dürfte. Wettbewerber zählen nach Ansicht des LG Bochum nicht dazu.
Zur weiteren Begründung führte das LG Bochum aus, dass für diese Auffassung insbesondere der Umstand spreche, dass die Datenschutzgrundverordnung eine detaillierte Regelung des anspruchsberechtigten Personenkreises enthalte und der Unionsgesetzgeber eine Erstreckung auf Mitbewerber des Verletzers gerade nicht zulassen wollte (Köhler, ZD 2018, 337, 338).
Aber Achtung: Weiterhin abmahnbefugt sind eben Mitglieder des anspruchsberechtigten personenkreises also etwa die „qualifizierten Einrichtungen“ im Sinne des UKlaG wie Verbaucherschutz- und Wettbewerbsverbände.


Abmahnfähig
Das LG Würzburg hingegen vertritt in seinem Beschluss vom 13.09.2018, AZ.: 11 O 1741/18 die Auffassung, dass eine Verletzung der Informationspflichten aus Art. 13 DSGVO vom Wettbewerber abgemanht bzw. durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sanktioniert werden können und bezieht sich dabei auf zwei ältere Entscheidungen des OLG Hamburg (AZ.: 3 U 26/12) und des OLG Köln (AZ.:8 U 121/15), die noch nach altem Datenschutzrecht ergangen waren.

Diese uneinheitliche Rechtsprechung nach Inkrafttreten der DS-GVO setzt die bisherige schlicht fort. Schon vor Geltung der DS-GVO urteilten die Gerichte unterschiedlich hinsichtlich der Frage, ob Datenschutzregelungen sog. "Marktverhaltensregelungen" im Sinne des§ 3 a) des  Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) seien, deren Verletzungen dann nach UWG abgemahnt werden können. Vor allem das OLG Hamburg vertrat wiederholt diese Aufassung, während etwa das Kammergericht Berlin anderer Auffassung war.

Vertiefend empfehlen wir die Lektüre unseres Rechtstips der Woche: fehlende Datenschutzbelehrung = Wettbewerbsverstoß? vom 23. Juli 2013

Seit Inkrafttreten der DS-GVO muss man dennoch die Frage stellen, ob diese dann auch die Interessen von Wettbewerbern schützt.
Die Entscheidung des LG Bochum verneint dies, die des LG Würzburg hingegen sieht dies als gegeben an.

 


Pro und Contra in der Literatur
In der Literatur werden ebenfalls beide Auffassungen vertreten. So vertritt Köhler (ZD 2018, 337 (338) sowie in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 3 a Rn. 1.40 a und 1.74) die Auffassung, dass Verstöße gegen die DSGVO vom Wettbewerber nicht nach § 3 a) UWG verfolgt werden können. Im Ergebnis gleicher Ansicht ist auch Barth (WRP 2018, 790). Nach Ansicht von Wolff (ZD 2018, 248) hingegen kann die DS-GVO nicht als abschließende Regelung angesehen werden, eine Anwendungsmöglichkeit des UWG und damit ein Unterlassungsanspruch des Wettbewerber sei durchaus gegeben.

Als Begründung wird angeführt, dass sich aus Erwägungsgrund 9 der DSGVO indirekt das Ziel der DSGVO zur Förderung des Wettbewerbes im Binnenmarkt ergibt. Ferner gehe auch der deutsche Gesetzgeber im Gesetzesentwurf zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts, die in das Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) geflossen sind, davon aus, dass datenschutzrechtliche Normen aufgrund ihres Marktbezuges Marktverhaltensregelungen im Sinne des UWG darstellen können. Die DSGVO genieße hier daher keine Sonderbehandlung.


Fazit:
Verstöße gegen die Vorschriften der DS-GVO können von qualifizierten Einrichtungen wie Verbänden und Verbraucherschutzorganisationen durchaus abgemahnt werden. Eine Abmahnmöglichkeit für den Wettbewerber ergibt sich dann je nach Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Das allerdings kann bei Rechtsverletzungen im Internet, das ja in jedem Gerichtsbezirk aufgerufen werden kann, auch jedes Gericht sein - der Anspruchsteller kann also frei wählen (sog. "Forum Shopping"). Daher empfiehlt es sich unbedingt, die Informationspflichten nach der DS-GVO vollständig zu erfüllen.